Chefdirigent Sir Simon Rattle verlässt die Berliner Philharmoniker. Die Berliner Morgenpost und der RBB haben Menschen aus dem Publikum gefragt, wen sie sich als Nachfolger vorstellen könnten.

Die Berliner Philharmoniker küren am 11. Mai in einer geheimer Wahl den Nachfolger von Sir Simon Rattle. Die Klassikwelt blickt gespannt darauf, wie sich dieses einzigartige Orchester entscheiden wird. Auch im Publikum wird seit Monaten über den neuen Chefdirigenten diskutiert. Die Berliner Morgenpost und der RBB haben am Freitag und Sonnabend zwei Konzerte der Philharmoniker unter Leitung von Andris Nelsons besucht und die Besucher nach ihren Favoriten befragt. Wir wollten wissen, welchen Dirigenten die treuen Abonnenten, die spontanen Konzertbesucher oder auch Touristen an der Spitze des weltberühmten Orchesters sehen wollen.

Dazu haben wir eine Shortlist mit den Namen der acht wichtigsten Kandidaten erstellt. Sie gehören allesamt zu den mehr als 30 Dirigenten, die regelmäßig, zum Teil seit Jahrzehnten, als Gastdirigenten bei den Philharmonikern zu erleben sind und immer wieder in der Diskussionen auftauchen. Auf unserem Wahlzettel stehen die Namen Daniel Barenboim, Gustavo Dudamel, Riccardo Chailly, Mariss Jansons, Riccardo Muti, Andris Nelsons, Yannick Nézet-Séguin und Christian Thielemann.

Darüber hinaus konnten die Abstimmenden auch weitere Favoriten in eine Spalte eintragen. Auch davon wurde reichlich Gebrauch gemacht. Die Abstimmung, die die Berliner Morgenpost gemeinsam mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg organisierte, stieß auf große Resonanz. Das Thema bewegt also die Konzertfreunde. Die Ergebnisse der Umfrage werden am Sonntag, 26. April, um 17 Uhr auf morgenpost.de veröffentlicht, die ausführliche Kommentierung lesen Sie in der Morgenpost am Montag.

Und das sagen die Befragten:

Axel Smend favorisiert Gustavo Dudamel

Axel Smend hat Dudamel zwei Mal in Venezuela und einmal in der Philharmonie erlebt. „Ich bin begeistert von seinem Projekt, diejenigen in Venezuela zur Musik zu holen, die keine finanziellen Mittel dafür haben. Er hat wunderbare Orchester zusammengestellt. Dudamel ist für mich jemand, der mit Verve und Feuer an die Arbeit geht. Damit wäre er für mich ein idealer Kandidat für die Philharmoniker.“ Axel Smend kam aus Frankfurt am Main nach Berlin, seit zehn Jahren ist er Abonnent. „Was ich als Geschenk betrachte.“

Gabriele Herwartz-Emden favorisiert Andris Nelsons

Gabriele Herwartz-Emden sagt sofort, dass sie sich bereits entschieden habe. „Die Jungen nach vorne. Und zwar Andris Nelsons. Ich bin sehr gespannt auf ihn, ich habe ihn einmal gesehen und ich finde, er hat etwas Besonderes. Ich kann das gar nicht genau beschreiben, aber mich fasziniert, wie er die Werke interpretiert. Ich glaube aber nicht, dass er gewinnen wird, weil die Philharmoniker auch sehr konservativ sind und sich daher jemand aus dem bekannten Kreis heraussuchen – so jemand wie Thielemann.“

Martin Schnelle favorisiert Andris Nelsons

Martin Schnelle Der Berliner lebt in Schwäbisch Gmünd und hat per Internet seine Karte gekauft. „Ich bin kein regelmäßiger Konzertgänger, aber ich habe von der Wahl gehört. Einige, die genannt werden, sind mir zu alt. Die würde ich nicht wählen. Christian Thielemann mag ich sehr gerne. Er würde Berlin gut stehen. Auch wenn er schon stark aufs deutsche Fach festgelegt ist. Er dirigiert Wagner sensationell gut.“ Er habe sich spontan entschieden, ins Konzert mit Nelsons zu gehen. Den findet er gut, obwohl er ihn noch nie live gehört hat.

Martina Dolata favorisiert Riccardo Chailly

Martina Dolata Die Berliner Studentin ist das dritte Mal in der Philharmonie und findet die Besuche immer sehr entspannend. Sie schaut sich den Zettel mit den Kandidaten an und denkt laut vor sich hin. „Ich denke, dass die alle schon einen guten Job haben und schwer abzuwerben sein werden“, sagt sie. „Als Nächstes würde ich aufs Alter schauen. Daniel Barenboim sagt mir etwas, aber ich bin themenfremd. Die ganz Jungen wären mir zu unerfahren, die alten Hasen zu eingefahren. Ich würde mich vielleicht für Riccardo Chailly entscheiden.“

Wolfram Kirscht favorisiert Gustavo Dudamel

Wolfram Kirscht Der Düsseldorfer zückt zuerst das Handy und zeigt seinen Zugang zur Digital Concert Hall. So gesehen ist auch er ein Abonnent der Berliner Philharmoniker. „Ich habe in der Digital Concert Hall Mahlers dritte Sinfonie mit Gustavo Dudamel gehört, ich fand das absolut. Musik muss mich berühren. Bei dem Konzert mit Dudamel habe ich eine Gänsehaut bekommen. Dudamel ist mein Favorit auch deswegen, weil mittlerweile im Orchester sehr viele junge Mitglieder sitzen. Er ist 34 und wäre 37, wenn er das Amt übernimmt.“

Delia Kassi favorisiert Gustavo Dudamel

Delia Kassi kommt regelmäßig in die Philharmonie. Einmal pro Monat besucht die Berlinerin das Konzerthaus. „Ich habe Gustavo Dudamel einmal gehört, im vergangenen Jahr. Ich fand das sehr gut, ich fand ihn sehr charismatisch. Und seine Geschichte mag ich auch, wie er in ärmlichen Gebieten aufgewachsen ist und es geschafft hat, diesen zu entfliehen. Es ist auch eine Entscheidung für die Jugend, ich mag Yannick Nézet-Séguin und Andris Nelsons. Aber natürlich mag ich auch den Stil von Daniel Barenboim.“

Joachim Schenk favorisiert Andris Nelsons

Joachim Schenk ist vor zwei Jahren nach Aachen gezogen. In Berlin sieht er sich eher als Konzerthausbesucher. Über Jahrzehnte hinweg war das Berliner Sinfonie-Orchester, das heutige Konzerthausorchester, sein Stammorchester. „Ich bin nicht auf den Dirigenten fixiert, sondern wegen der Mahler-Sinfonie hier. Ich glaube, es wäre für Berlin ganz gut, wenn wieder ein junger Dirigent da wäre. Andris Nelsons fände ich gut. Es muss einer sein, der neue Ideen hat und die in die Musikszene einbringt.

Jutta Kunert-Kirchhoff favorisiert Daniel Barenboim

Jutta Kunert-Kirchhoff ist seit sechs Jahren Abonnentin. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass Daniel Barenboim in der Philharmonie die Chance bekommt“, sagt die Wilmersdorferin. „Ich halte unheimlich viel von ihm als Musiker und als Mensch. Ich hätte ihn gerne für ein paar Jahre hier bei den Philharmonikern, er wird es ja nicht unendlich machen. Ich denke, die Weltlage ist so, dass er durch seine Persönlichkeit, seine Mehrstaatlichkeit vieles einbringen kann, was für das Haus, ja für Berlin ein Riesengewinn wäre.“

Jean-Marie Huot-Marchand favorisiert Riccardo Muti

Jean-Marie Huot-Marchand ist zusammen mit seiner Frau aus Frankreich angereist und für eine Woche in der Stadt. Es ist sein erster Besuch in der Philharmonie. „Riccardo Muti ist mein Favorit, aber auch Gustavo Dudamel fände ich als Chefdirigenten gut. Sie sind beide große Musikdirektoren, beide sind exzellent, beide haben einen sehr guten Ruf, beide bewundere ich. Mit meiner Frau zusammen habe ich in Frankreich schon viele Aufführungen gerade mit Muti im Radio verfolgt. Er berührt mich jedes Mal.“